Gemeinsam nach vorne – Interview mit Heiko Zimmer
Wie lässt sich die Vermarktung einer Firma optimieren? Erfahren Sie im Interview, wie der Start eines Projektes dessen Erfolg bestimmt. Heiko Zimmer ist ein Experte für agile Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Das Interview wurde von Kirsten Döhla im Hotel Hyatt Regency in Mainz geführt.
Herr Zimmer, erläutern Sie bitte zum Auftakt den Begriff „Agilität in Unternehmen“? Was ist der Vorteil?
Agile Unternehmen zeichnen sich durch Anpassungsfähigkeit, Geschwindigkeit, Kundenzentriertheit und Haltung aus. Das ist in sich dynamisch verändernden Märkten die Grundlage für effektives Handeln.
Was zeichnet Sie als Experte für agile Marketing- und Vertriebsaktivitäten aus?
Zum einen über 25 Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Zum anderen liebe ich meine Arbeit und bin allen neuen Möglichkeiten und Herangehensweisen sehr aufgeschlossen. Gerade der Marketingbereich verändert sich ständig in großer Geschwindigkeit weiter, weil sich die Märkte – unter anderem durch die Digitalisierung – so dynamisch entwickeln. Hier bilde ich mich persönlich ständig weiter, um nach Abwägung und Prüfung die für mich am besten funktionierenden Methoden in meine Arbeit zu übernehmen.
Wenn Sie von einem Unternehmen um Unterstützung gebeten werden, um bestehende Vermarktungsaktivitäten zu verbessern oder ein neues Produkt einzuführen: Gibt es da eine Art Fahrplan, an dem Sie sich orientieren?
Ein fester Fahrplan wäre kontraproduktiv. Ich möchte meinen Kunden nicht sagen „So läuft’s“, sondern gemeinsam nach vorne gehen. Ich will nicht nur die theoretisch bestmögliche Vorgehensweise mit meinen Kunden entwickeln, sondern diese gemeinsam mit allen Beteiligten umsetzen, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Dabei ist es ist natürlich ein Unterschied, ob ich die Vorgehensweise und Prozesse im Unternehmen selbst verbessern oder ob ich Marketing- und Vertriebsaktivitäten outsourcen soll.
Wie startet die gemeinsame Zusammenarbeit?
Zunächst gilt es, mit einer offenen und wertschätzenden Haltung eine Bestandsaufnahme dessen zu machen, was bereits vorhanden ist. Das betrifft zum einen die sachlichen Voraussetzungen: Um welches Produkt oder um welche Dienstleistung geht es? Was liegt bereits vor? Was sind die bisherigen Erfahrungen? Wie ist der Markt? Wie ist/soll die Positionierung sein? Zum anderen gehört auch die Betrachtung der „weicheren Faktoren“ dazu: die vorhandenen personellen Kompetenzen, die womöglich verdeckten oder zumindest nicht formulierten Ziele, die gelebte Kultur des Unternehmens.
Nun erwarten Ihre Auftraggeber ja vermutlich schnelle Ergebnisse?
Ja, und die bekommen Sie auch! Im besten Sinne von realistisch und nachhaltig. Es macht keinen Sinn, am Grashalm zu ziehen, damit er schneller wächst. Nährstoffe, Wasser und Sonne helfen schon.
Das ist sehr anschaulich. Aber ich stelle es mir unglaublich herausfordernd vor, in einer bereits druckvollen Situation in einem Unternehmen auch noch in aller Ruhe eine Bestandsaufnahme mit den Beteiligten zu machen …
Ja, das kann es auch sein. Aber es ist die Phase, die mir meist besonders viel Spaß macht. Eine Art Schatzsuche mit ungewissem Ausgang und viel Potenzial! Was ich gelernt habe ist, mit dem Auftraggeber bereits vor dem Start die gegenseitigen Erwartungen abzugleichen und während des Projektes in laufendem Kontakt über die bestehende Entwicklung und nächsten erforderlichen Schritte zu bleiben.
Dabei haben sich Vorgehensweisen herausgebildet, die die gegenseitige Lernkurve beschleunigen.
Nun bin ich neugierig: Welche Vorgehensweisen sind das?
Das sind „One-to-one“-Tiefeninterviews mit den Stakeholdern und gemeinsame Workshops.
Bei den Interviews gibt es allein durch die Fragestellungen schon oft Denkanregungen und neue Einsichten – beim Befragten, wohlgemerkt! Und für beide schaffen die Informationen die Voraussetzung für das gemeinsame Weiterdenken und Entwickeln von möglichen Strategien.
Die Workshops sind besonders wertvoll, weil sie die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis der Situation liefern. Das ist dann handlungsleitend für die Entwicklung und Umsetzung von Ideen – und wird von den Teilnehmern oft auch als sehr sinnstiftend empfunden.
Die Themen der Workshops ergeben sich übrigens jeweils „fast wie von selbst“ im gemeinsamen Dialog, sodass zwar das Ziel vereinbart wurde, aber der Weg dorthin gewissermaßen im Gehen entsteht. Die Erkenntnisse und vielleicht auch die ein oder anderen „Aha-Erlebnisse“, die Workshops liefern, setzen eine gemeinsame Innovationskraft frei, die eine sehr hohe Intensität entwickeln kann. Diese Kraft beflügelt den Erfolg zusätzlich.
Apropos Intensität und Kreativität: Setzten Sie in den Workshops auch auf gerade aktuelle Methoden wie zum Beispiel Design Thinking?
In einem bereits agil aufgestellten Start-up ist es kein Problem, mit Methoden wie Design Thinking vorzugehen. In einem traditionell aufgestellten Konzern dagegen – vor allem ohne entsprechende Rückendeckung der Führung – würde es zu viele Widerstände auf den Plan rufen. Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Daher schlage ich die angewandte Methode immer im Einklang mit der Situation im Unternehmen vor, um die bestmöglichen Ergebnisse unter den gegebenen Voraussetzungen zu erzielen. Hier gilt es, Augenmaß zu bewahren. Auch wenn sich „die reine Lehre“ nicht immer überall umsetzen lässt: Ein bisserl was geht immer. Und bei aller Technik- und Methodenverliebtheit dürfen wir nie aus den Augen verlieren, dass es bei allen Aktivitäten nach innen und nach außen immer primär um Menschen geht.
Ja, das kann leicht zu kurz kommen, wenn man zu sehr auf die jeweilige Technik fixiert ist. Ich denke da zum Beispiel an die vielen Emails, bei denen wohl jeder schon mal – für alle Fälle – in CC gesetzt wurde. Mit sinnvoller und zielgerichteter Kommunikation zwischen Menschen hat das manchmal wirklich nichts mehr zu tun. Und wie geht es dann weiter?
Das ergibt sich aus den Ergebnissen der Interviews und Workshops. Dabei wird unter anderem auch gemeinsam überprüft, ob die formulierten Ziele sinnvoll und vollständig sind. Gegebenenfalls werden sie angepasst oder ergänzt. Und es wird festgestellt, welche relevanten Umwelten bei der Vorgehensweise berücksichtigt werden müssen. Daraus wird dann gemeinsam die Vorgehensweise entwickelt. Diese kann die ganze Bandbreite der möglichen Handlungsweisen im Lean Marketing betreffen – von Interviews mit der Zielgruppe über Rapid Prototyping bis hin zu Vermarktungstests.
Und wie weiß Ihr Auftraggeber, was im Einzelnen geschehen wird?
Mit jedem Interessierten führe ich zunächst ein Erstgespräch, bei dem detailliert besprochen wird, was die wechselseitigen Erwartungen sind und in welche Richtung es grundsätzlich gehen soll. Daraus wird ein „Project Brief“ entwickelt, in dem die Hintergründe und Ziele der Zusammenarbeit, alle relevanten Details, Voraussetzungen und Verantwortlichkeiten zwischen den Beteiligten geregelt werden. Erst wenn hierüber Einigkeit besteht, kommt es mit Erteilung des Auftrages zur Zusammenarbeit.
Wie würden Sie Ihre eigene Rolle im Projekt beschreiben?
Meine Rolle ist die eines Moderators, der sanft und bestimmt die Beteiligten auf dem Weg begleitet. Das funktioniert in einem Spannungsfeld zwischen extern und intern, zwischen Nähe und Distanz. Ich muss die Sicht eines Externen – die Sicht eines Regisseurs – halten, um nicht in das „Spiel auf der Bühne“ hineingezogen zu werden. Und gleichzeitig muss ich verstehen, wie sich die „Schauspieler auf der Bühne fühlen“ und was sie gerade brauchen, um bei Ihren Aktivitäten bestmögliche Resultate zu erzielen. Das gibt mir große Befriedigung. Und was kann es Schöneres geben, als zu erleben, dass einem Kunden dank der angepassten Vorgehensweise gelingt, was er sich gewünscht hat? Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg!
Noch eine etwas persönlichere Frage zum Schluss: Was treibt Sie an? Warum macht es Ihnen so viel Freude, verborgene Potenziale „auszubuddeln“?
Ein Freund von mir ist Förster. Er liebt seinen Beruf und kann sich gar nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu tun. Ich bin immer ganz fasziniert, wenn wir durch „seinen“ Wald wandern und er mir von seiner Arbeit erzählt. Wussten Sie, dass man das Wachstum der Pflanzen durch das Licht gezielt steuern kann? Ein guter Förster weiß, welche Bedingungen jede einzelne Pflanze benötigt, um sich optimal zu entwickeln. Er kennt und liebt „seinen” Wald. Es macht ihm Freude, sein Wissen einzusetzen, um ihn in Absprache mit dem Eigentümer nachhaltig und den Vorgaben entsprechend zu entwickeln und das seinen Möglichkeiten innewohnende Potential zur Entfaltung zu bringen. Das einzige Geheimnis, was ich meinem Freund noch nicht entlocken konnte ist, wie er immer die besten und schmackhaftesten Trüffel findet.
Ich sehe da sehr viele Parallelen zu mir und meiner Arbeit. Es erfüllt mich und macht mir große Freude meinen Anteil zu leisten, das Potential der Mitarbeiter und der Teams sowie letztlich des gesamten Unternehmens zur Entfaltung zu bringen. Die Vorgehensweise vorausschauend den sich ändernden Bedingungen anzupassen und den eingeschlagenen Weg ständig zu prüfen und zu hinterfragen. Wobei mir die „Pflanzenarten“ Marketing und Vertrieb besonders nahe liegen. Und ja, gute Trüffel finde ich ja auch …
Herr Zimmer, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!